Abitur hier und anderswo
Gerade macht ein Video von Prof. Dr. Bernhard Krötz die Runde, in dem er die aktuellen Matheprüfungen im NRW-Abitur mit den indischen Prüfungen vergleicht und dazu mit dem Abitur der 1970er-Jahre sowie den damaligen Realschulprüfungen vergleicht. Die Anforderungen des derzeitigen Abiturs in NRW erscheinen dabei pillepalle gegenüber den indischen Anforderungen und ein Rückschritt über Jahrzehnte hinweg (Früher war alles besser...).
Es wäre doch kein Problem, den hiesigen Unterricht entsprechend anspruchsvoll zu gestalten, so dass das Abitur nur ein Fingerschnipps für die Lernenden darstellt. Doch Prof. Krötz liefert eine wesentliche Erklärung für den Anspruch gleich mit: Der Unterricht der indischen Schüler, die diese Prüfung ablegen, besteht im Grunde aus Mathe, Physik, Chemie (jeweils 6 Stunden, hier ein Beispielstundenplan), etwas Sprachen und jede Menge Nachhilfe am Abend. Dazu ein knallhartes Aussieben, um überhaupt einen Studienplatz zu bekommen, denn technische, medizinische und naturwissenschaftliche Studiengänge gelten in Indien - anders als in Deutschland (bis auf Medizin) - als hochbegehrt:
So treten z.B. beim Joint Entrance Examination, das für die Zulassung zu einem technischen Studiengang an einer staatlichen, der Zentralregierung unterstehenden technischen Institution (IIT, NIT) notwendig ist, jedes Jahr rund 1,2 Millionen Schüler an, wovon etwa 2% einen Studienplatz erhalten. Viele Schüler bereiten sich z.T. über mehrere Jahre hinweg mit Hilfe von professionellen coaching Agenturen auf die Aufnahmeprüfungen vor.
Quelle: https://www2.daad.de/medien/der-daad/analysen-studien/bildungssystemanalyse/indien_daad_bsa.pdf
Zum Vergleich:
Im Jahr 2021 wurden bundesweit etwa 263.000 Schulabsolventen mit allgemeiner Hochschulreife gezählt.
Quelle: https://de.statista.com/themen/5839/abitur/
Im Jahr 2013 lag die Zahl der Abiturienten bei ca. 370.000, was sich durch vermehrte Doppelabijahrgänge aus G8/G9 erklärt. Das entsprach einer Quote von 61%. In Indien lag die Quote im selben Jahr bei etwa 24%.
Im selben Atemzug, in dem eine Erhöhung der Anforderungen gefordert wird, müsste man also auch die Studienplätze in den technischen und naturwissenschaftlichen Studiengängen wie für Medizin verknappen, gleichzeitig die Fächeranzahl in der Oberstufe stark reduzieren, den Samstagunterricht einführen, die Unterrichtsstunden auf 40 Minuten verkürzen, die Pausen (bis auf eine) streichen, nichts mehr im Unterricht erklären, denn das macht ja der Tutor im Nachhilfeunterricht am Abend, und damit von den Schülern einen 12-Stunden-Lerntag verlangen.
Ja. dann sollte es mit dem Abitur von 1970 wieder laufen.